Reinach redet: Pubertät

Frau Blanc, was genau ist gemeint mit «Pubertät»?
Der Lebensabschnitt zwischen dem Ende der Kindheit und dem Beginn des Erwachsenenalters ist eine faszinierende, aber auch anspruchsvolle Zeit, in der die Jugendlichen ihre eigene Identität erforschen und Visionen für die Zukunft erschaffen. Es ist ein Moment der Bilanz, in dem Jugendliche entscheiden, was sie von ihrer Erziehung ins Leben mitnehmen und was sie anders machen möchten. Verunsicherung und Missverständnisse gehören zu diesem Prozess der Neustrukturierung dazu und das kann für die Jugendlichen sowie deren Eltern manchmal sehr anstrengend sein. Der Spagat zwischen Verantwortung und Autonomieübergabe an die Kinder ist für viele Eltern eine grosse Herausforderung. Es ist nicht einfach die zunehmenden Freiheiten richtig zu dosieren und die Jugendlichen einerseits bestmöglich zu schützen und ihnen andererseits genügend Raum für eigene Erfahrungen zu lassen. Mit zunehmender Selbstständigkeit der Kinder verändert sich jedoch auch das Leben der Eltern. Die Adoleszenz der Kinder ist auch eine Entwicklungsaufgabe für die Eltern, die mit dem allmählichen Loslassen der Kinder ihr Leben überdenken und neu strukturieren müssen.

Welche Rolle haben dabei die Eltern...
Neben den klassischen Themen der Pubertät sind Eltern heute mit neuen Fragen konfrontiert: Die ständige Beschallung durch die sozialen Medien und die Angst vor Pandemie, Krieg und Klimakrise machen die Zeit der Adoleszenz zusätzlich komplexer.

Wichtig ist als Eltern, auch Verständnis für die physiologischen und neurologischen Veränderungen der Jugendlichen aufzubauen, um gewisse Verhaltensweisen besser einordnen zu können. Nicht alle Gehirnregionen reifen gleich schnell und so kann es manchmal in der Pubertät zu unüberlegtem und impulsivem Verhalten kommen.

... und wie können sie die Jugendlichen in dieser aufregenden und schwierigen Phase adäquat unterstützen?
Unter anderem hat der Erziehungsstil der Eltern einen Einfluss. Eine warmherzige, aber strenge Erziehung mit klaren Regeln wird autoritativer Erziehungsstil genannt. Dieser wird in Verbindung gebracht mit einer gut ausgeprägten psychosozialen Fähigkeit, einer guten sozialen Kompetenz, Selbstsicherheit, Kreativität, Erfolg in der Schule und Verantwortungsbewusstsein. Es ist wichtig, dass wir auf Augenhöhe mit den Jugendlichen kommunizieren, ihre Probleme und Sorgen ernst nehmen und Vorbilder sind. Das heisst nicht, dass wir uns perfekt zu verhalten haben. Im Gegenteil: Ein authentischer Umgang mit den eigenen Gefühlen und Schwächen hilft Kindern ihre eigenen Strategien aufzubauen und zeigt ihnen, dass Entwicklung ein lebenslanger Prozess ist.

(MA Ina Blanc ist Fachpsychologin für Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Basel)